· 

Und manchmal werde ich wach und vergesse was ich fühle...

Heute war wieder einer dieser Tage. Nach dem aufwachen musste ich kurz überlegen wer und wo ich bin, das kam schnell, aber dabei war keine Emotion. Es ist seltsam den eigenen Ehemann anzusehen und einfach nichts zu fühlen. Für manche wäre so etwas vielleicht ein Trennungsgrund, für mich nicht. Ich weiß was das ist; es sind Begleiterscheinungen einer Depression. Dieses nicht vorhanden sein von Gefühlen bezieht sich nicht einfach auf mein Gegenüber, es erstreckt sich über nahezu alle Lebensbereiche. Aber das ist nicht schlimm! Ich weiß es geht vorbei. Vielleicht nicht von alleine, aber gegen viele Krankheiten muss man aktiv werden damit es besser wird. Was ich also gegen diese Leere tue? Ich denke an die Gefühle die da sein müssten, an das was ich gestern noch fühlte. Wenn das nicht funktioniert? Dann lese ich es nach! Ich habe aufgeschrieben was und warum ich in meinem Leben liebe, die Liste an gründen warum ich meinen Mann liebe besteht zur Zeit aus 157 Gründen und wächst stetig. Früher hielten solche Episoden oft lange weil ich keine Bewältigungsstrategie hatte, heute sind sie meistens so schnell wieder verschwunden wie sie gekommen sind.
Achja; ich habe oben geschrieben auf FAST alle Bereiche meines Lebens, meine Kinder sind die Ausnahme! Es gab zwar Tage an denen meine Emotionen auch in diesem Bereich schwächer waren, aber heute genügt ein Blick in ihre Gesichter um Liebe zu spüren!

Nachdem ich das auf Instagram gepostet hatte wurde mir folgende Frage gestellt: „Was wenn das alles nicht hilft?“
Auf jeden Fall nicht aufgeben! Der Umgang mit Depressionen ist meistens ein langer Prozess! Es wird nicht einfach so und von heute auf morgen alles gut. Selbst wenn man Methoden zur Bewältigung kennt heißt es nicht das sie funktionieren, auch das ist Training! Ich habe Depressionen seit vielen Jahren, lange habe ich mir keine Hilfe gesucht, teilweise auch weil mir einfach nicht bewusst war das es eine Krankheit ist. Vor etwa 7-8 Jahren dann kam der Höhepunkt; ein Suizidversuch. Danach blieb mir keine Wahl, ich kam in eine Klinik. Ich war dort 6 Wochen, dort die Mindestzeit, keinen Tag länger wollte ich bleiben weil ich eines schnell bemerkte, wie sehr ich mein Kind vermisste. Und vorallem wir sehr er mich vermisste. Damals hätte ich damit nicht gerechnet, einen solchen Schritt geht eine Mutter nur wenn sie denkt dann würde es ihrem Kind besser gehen. Als ich aus der Klinik kam dachte ich es könne alles einfach seinen Weg weiter gehen und ging relativ schnell wieder arbeiten. Bis ich auf der Arbeit am Schreibtisch einfach in Tränen ausbrach. Meine Chefin schickte mich nach Hause, nicht ohne einen Vortrag darüber das ich dort auch bleiben soll bis es mir wieder gut geht, das ich Zeit habe und wir gemeinsam einen Plan machen wie mein Widereinstieg aussehen wird wenn ich soweit bin. Ich suchte mir einen Platz in einer Tagesklinik, ein Krankenhaus in das man morgens fährt und am Nachmittag wieder nach Hause geht. Hier fiel der Startschuss für den langen Weg im Kampf gegen die Depression. Es half zu wissen das ich mich um meine Gesundheit kümmern kann ohne mein Kind zu vernachlässigen und die Therapeuten waren sehr gut. Auch hier verbrachte ich 6 Wochen. Danach suchte ich mir eine ambulante Therapie und blieb noch ein paar Wochen zuhause, bis ich zunächst mit nur zwei Stunden am Tag begann wieder zu arbeiten. Sehr langsam steigerten sich die Stunden, von dem Tage an dem ich krank wurde bis zu dem Tag an dem ich wieder Vollzeit arbeitete vergingen 9 Monate. Doch auch das war nicht alles. Mein Mann, damals noch mein Freund und eine Fernbeziehung, suchte sich einen Job in der Nähe und zog zu uns, meine Familie nahm Rücksicht wo sie konnte und ich lernte und tue es noch alles was ich in den verschiedenen Therapien in der Theorie gelernt habe in der Praxis umzusetzen.

Einer der wichtigsten Punkte hierbei ist: Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sie können jeden treffen! Die Krankheit kommt in allen Altersklassen und allen Schichten vor und die Betroffenen glauben nur damit alleine zu sein. Deshalb ist es so wichtig darüber zu reden. Menschen die ihre Depression überwunden oder gelernt haben damit umzugehen sind oft die beste Stütze für diejenigen die gerade ganz tief im Loch stecken, doch nur wer sich öffnet kann Hilfe finden!

Wenn euch das jetzt alles bekannt vor kommt und ihr das noch nicht getan habt: Sucht euch Hilfe!